veröffentlicht am 14.08.2013 unter http://hanfjournal.de/2013/08/14/apologie-des-drogengebrauchs/
(Hanfjournal Print-Ausgabe Nr. 163)
Letzte Überarbeitung: 30.06.2015


suum cuique - Apologie des Drogengebrauchs
(jedem das Seine)

In der aktuellen Situation, als Prohibition oder Repression bezeichnet, werden selektive Interessen mit autoritativer Gewalt bedient. Loyalen Befürwortern von Drogen fehlt die Möglichkeit, ihre urtümlichen Vorlieben auszuleben und sich frei zu entfalten. Auf der einen Seite bekennt sich der Gesetzgeber zu bestimmten Drogen, dort auch bemerkenswert unverantwortlich, auf der anderen Seite benachteiligt er mit seiner knappen Auswahl die tatsächliche Vielfalt der Geschmäcke. Bei den beiden anerkanntesten Drogen Tabak und Alkohol handelt es sich um erstaunlich gesundheitsschädliche Substanzen. Warum soll sich ein neugieriger und selbst achtender Mensch damit zufrieden geben?

Sind Drogen notwendig so verheerend wie ihr Ruf? Frei nach Paracelsus ist jede Droge kontrollierbar, solange Maß und Rhythmus, Set und Setting gut gewählt sind. Das umfasst auch das zwiespältigste Suchtgift, wenn quasi nichts von ihm und es quasi nie konsumiert wird. Dosis und Frequenz bestimmen das Gift. Die Dosis entscheidet vor allem über die kurzfristige Gefahr, die Frequenz über die langfristige. Beide sind steuerbar, das bezeugt der enorme Anteil unter den Konsumenten jeder beliebteren Droge, die selbst unter den heutigen, unvertraulicheren Bedingungen unauffällig mit ihr umgehen. Die auffälligen Probleme gehen von einer Minderheit aus, die eine Mehrheit nicht verweisen sollte. Konsequente Argumentationen trieben sonderbare Blüten.

Dass die Prohibition das Grundrecht einschränkt, kann z.B. der Blick auf Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes, unserer Verfassung, bezeugen. Dort heißt es: “Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.” Dazu sei unter einer Droge eine beliebige Substanz zu verstehen, die im Rahmen eines praktikablen Konsums die Wahrnehmung in gewisser Deutlichkeit verändert. Wahrnehmung ist in diesem Zusammenhang möglichst weit gefasst und meint neben dem von außen Eintreffenden auch das im Innern Stattfindende und das dem Gesamten Zugrundeliegende. Extensionale Umschreibungen von Suchtgift bis Blissbote stehen außen vor.

In der Begründung gelten folgende allgemeine Sätze:
1. Drogengebrauch erzeugt einen Unterschied in der Wahrnehmung,
2. Ohne Unterschied keine Erkenntnis,
3. Ohne Erkenntnis keine Persönlichkeit.

Wenn einem drogenwilligen Bürger der Gebrauch verwehrt wird, wird ihm ein Unterschied in seiner Wahrnehmung verwehrt, wird ihm ein Teil seiner Erkenntnisse verwehrt, wird ihm ein Teil seiner Persönlichkeit verwehrt.

Es scheint, als wäre ein Recht auf Drogengebrauch evident. Aber das Bundesverfassungsgericht, 1994 über das BtMG geurteilt, sieht bereits den Cannabisgebrauch gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen. Denn indem ein Bürger diese schadbare Droge zu sich nimmt, riskiert er seine Würde, die der Staat sich zu schützen verpflichtet (Art.1 Abs.1 GG), sowie seine körperliche Unversehrtheit (Art.2 Abs.2 GG). Zudem gilt Art.2 Abs.1 GG uneingeschränkt nur für die Intimsphäre, zu der ein Umgang mit Drogen wegen seiner “vielfältigen sozialen Aus- und Wechselwirkungen” nicht zählt.

Bei allem Respekt, das Urteil wirft Fragen auf. Die Verletzung der Würde liegt nicht im Ermessen des Individuums? Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist eine Pflicht? Beide Grundrechte sind mit jedem Gebrauch und auch Besitz von Drogen so stark gefährdet, dass Strafandrohung, -vollzug und Vorbestrafung in angemessenem Verhältnis dazu stehen? Grundrechte, die ihrer Definition nach unantastbare Rechte eines Bürgers gegenüber seinem Staat sind, können auch restriktiv ausgelegt werden? Die weder vorsätzlich noch hinreichend schädliche Tat ist strafrechtlich ahnbar? Mit Drogen lässt sich die Intimsphäre nicht nach außen hin unauffällig gestalten? Soziale Aus- und Wechselwirkungen sind per se zu verneinen, auch über das Medium der Kunst? Die Mehrheit unter Gebrauchsgeneigten spielt keine Rolle?

Neben medizinischem und hedonistischem Gebrauch wird auch der erkenntnisliefernde angestrebt. “Wer bin ich?” ist die wesentliche Frage für das Verständnis der eigenen Person, seiner Werte und Bedürfnisse. Und wer ist man unter Drogen? Man bleibt man selbst und setzt individuell die Droge um. Alle begleitenden Eindrücke, gute wie schlechte, sind von sich geprägt und erweitern deshalb die Selbstkenntnis. So wie auch kein Medikament heilt sondern nur die eigene Selbstheilungskraft, die es verwendet. – “Was ist der Mensch?” fragt Immanuel Kant seine Leser. Kann eine Vorstellung vom Menschen überhaupt vollständig sein ohne zu wissen, wie Drogen auf sie wirken? – Cannabis wird gerne konsumiert, um Kultur und Natur neu zu interpretieren. Qualitäten werden alternativ wahrgenommen und bereichern über die Wirkphase hinaus das Gesamturteil. Ist Urteilserweiterung unnütz? - LSD hat manchem alles Leben zu einem kollektiven Organismus vernetzt gezeigt, wie einen Faden im Gewebe. Kann Sozialisierungsbewusstsein verwerflich sein? – In der Geschichte der Politik, in den Anfängen von Religionen und in der Kunst wurden Drogen verwendet. Lassen sich die Motive, Deutungen und Empfindungen nachvollziehen, ohne wenigstens ein Verständnis von der Droge zu haben?

Gedanken, Gefühle und willentliche Selbstbestimmung sind nicht frei, wenn Prohibition sie zensiert. Sie entwürdigt durch ungesonderte Bevormundung, beschränkt Selbstkenntnis und -entfaltung, diskriminiert unter den Rauschlüsten und behindert die Ausarbeitung weltanschaulicher Bekenntnisse (entgegen Art. 1, 2, 3, 4 GG).

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