veröffentlicht am 10.02.2014 unter http://hanfjournal.de/2014/02/10/die-drogenschule/
(Hanfjournal Print-Ausgabe Nr. 169)
Letzte Überarbeitung: 22.04.2015


non scholae sed vitae discimus: Die Drogenschule - eine Blaupause
(nicht für die Schule sondern für das Leben lernen wir)

So ehrbar die Absichten des BtMG auch sein mögen, sie hindern weit mehr Erwachsene als nötig. Die meisten belästigen die Jugend nicht, und wiederum die meisten möchten Drogen nicht zur Selbstschädigung konsumieren sondern im Gegenteil, im ausgewogenen Interesse ihres Wohlwollens. Jugend und Volksgesundheit sind nicht grundsätzlich in Gefahr.

Im Urteil des BVerfG von 1994 heißt es: “es (Anm.: ein geeignetes grundrechtseinschränkendes Gesetz) ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können.” Ziel ist demnach, die Grundrechtseinschränkung zu lockern und zugleich ein nicht minder wirksames Mittel als ein ungesondertes Verbot zu entwerfen, um “vor Drogengefahren zu schützen, und Abhängigkeit, insbesondere der Jugend, zu verhindern”. Auch wenn es auf dem Papier kein wirksameres Mittel als ein Verbot geben mag, so bildet doch die reale Situation den gültigen Maßstab. Der Markt um Drogen ist seit langem einer der umsatzstärksten der Welt – ein untrügerischer Beweis gesellschaftlichen Bedarfs – und es fehlt an Hinweisen, dass sich ohne den Einsatz eines grandiosen Überwachungsapparats daran etwas ändern wird. Dieses Mittel allerdings widerspräche der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, deren Einschränkung zu fördern oder zu dulden jede Partei ihre Auflösung riskiert (GG Art. 21 Abs. 2), denn bereits erahnte Überwachung beeinflusst das freiheitliche Verhalten, indem sie Empfindsame bedrückt und sie zu Opfern, Trotzern oder Gegnern macht. Das BtMG ist laut höchstrichterlichem Urteil also nicht erforderlich, wenn zweckmäßige Alternativen existieren. Sie werden naturgemäß nicht von tradierten Mächten angestoßen, aber sie gibt es. Ein möglichst Sorge tragender Zugang zu Drogen wird nun skizziert.

Der Konflikt in der drogenpolitischen Debatte beruht im Wesentlichen auf zwei undifferenzierten Meinungen: 1. “Drogen sind schädlich und gefährlich und gehören unter Verschluss.” 2. “Drogen sind nützlich und angenehm und gehören frei zugänglich.” Eine freie drogenlose Gesellschaft wird es nicht geben, solange Drogen bekannt sind, und eine unreglementierte Vermarktung wird nicht zugelassen, solange Menschen anderen vor allem Zweck oder Gefahr sind. Beide Voraussetzungen werden unabsehbar lange bestehen bleiben. Gerecht und sinnvoll kann eine Lösung des Konflikts deshalb nur sein, wenn sie zwischen diesen Positionen liegt, also einen Kompromiss darstellt. Dieser Kompromiss heißt: bedingt zugänglich (oder bedingt unter Verschluss, was im Prinzip dasselbe ist). Diese Bedingung findet sich gemäß der Gleichberechtigung nur am Interessenten, sie gilt es dort zu prüfen. Ist sie bestätigt, ist sein Drogengebrauch legitim. Der Prüfung geht folgerecht eine Schulung voraus, ein Konzept, das sich schon für den Fahrzeug-, Tauch- und Waffenschein und allgemein bei Lizenzen bewährt hat. Abschlusszeugnis ist ein Drogenschein in diversen Abstufungen für Umfang und Vertrauen. Das Vertrauen ist der zentrale, Erwerb und Preis regulierende Wert, der mit anstandslosen Zeiten steigt.

Die Institution “Drogenschule” steht jedem offen, der ein gewisses Alter erreicht hat und sich gegen Drogensucht bekennt. Bei hinreichend riskantem Erwerbsumfang kann ein bestimmtes gesundheitliches Gutachten erforderlich sein. Vorbestrafungen können das Erstvertrauen schmälern. Ziel der Schulung ist es, dem Interessenten einen umsichtigen Drogengebrauch zu lehren und mögliche Probleme gering zu halten. Ein Problem ist die Folge eines unkontrollierten Risikos, d.h. je früher ein Risiko erkannt wird, desto kurzatmiger zeigt sich das Problem. Es ist nicht nötig, dass aus Unbedarftheit heraus dieselben Fehler immer wieder mit aller Gewalt durchlitten werden. Die zahlreichen Erfahrungen, Erkenntnisse und Handhabungen sollen Neulingen gut aufbereitet zur Verfügung stehen. Das zu Lehrende gliedert sich in fünf Bereiche: Es gibt Konsumkritik, allgemeines Sachwissen, spezifisches Gebrauchswissen, Verhaltensregeln und Risikomanagement.

Konsumkritik vermittelt Gedanken gegen jeglichen Drogengebrauch, wie sie sich Gebrauchsüberwundene und -versagende geschaffen haben. Hierzu gehören Konfliktpotentiale mit anderen Lebenszielen, Problematiken für die Familiengründung, den beruflichen Erfolg etc. Es wird die illusionäre, meist kurzweilige Natur von Rauschzuständen hervorgehoben sowie ihre möglichen Kosten an der eigenen Leistung. Den Schülern werden verschiedene Gedankenbrücken geboten, etwa über die Fragen, ob die schönsten drogenfernen Erlebnisse mit Drogen aufwertbar sind, oder ob der Konsum einen späteren Hang zur Abstinenz beinhalten sollte.

Sachwissen umfasst natur- und drogenwissenschaftliche Grundlagen, u.a. Modelle der neuronalen Wirkweise von Drogen, biochemische Abläufe und Konsequenzen des Konsums (Einfluss auf die körpereigene Drogenproduktion und ihr seelisches Pendant) und die Rauschklassifikation.

Im Lehrfach ‘Gebrauchswissen’ wird der geeignete Gebrauch vermittelt, u.a. werden pro Droge das Risikopotential durch die Gefahren im Einzel- und Gewohnheitsgebrauch begründet und Herangehensweise, Applikationsformen, Dosierungsbereiche, Wirkspektren, Neben- und Nachwirkungen, Verhalten bei Überdosierung, suchtgefährdende Gebrauchsmengen und -muster sowie Entwöhnungserscheinungen unterrichtet. Nachteile jeder Droge werden ausführlich besprochen, Erfahrungsberichte analysiert, und auch Mischkonsum wird thematisiert. Drogen können u.U. von Freiwilligen zur Veranschaulichung und Diskussion in kleinen Dosen getestet werden.

Verhaltensregeln dienen dem Ziel, seine Umwelt weder zu belästigen noch durch unachtsame Handlungen zu gefährden. Konsum im öffentlichen Raum soll unauffällig, vorsorglich und maßvoll bleiben. Absolventen, die diese Regel missachten, tragen die Konsequenzen. Als Zugeständnis an den abstinenten Teil der Gesellschaft bedeutet eine unter Drogen begangene Straftat ein erhöhtes Strafmaß gegenüber der Tat im nüchternen Zustand, auch in Fahrlässigkeit, sollte sich das Risiko durch den freiwilligen Gebrauch erhöht haben. Einschränkungen des Drogenerwerbs folgen über ein Absenken des Vertrauens. Weiterhin ist es untersagt, legal erworbene Drogen anderen zu überlassen. Drogen gewaltsam oder heimtückisch zu verabreichen bleibt selbstredend kriminelle Körperverletzung. Hier kann der Staat entgegensteuern, indem er für diesen Missbrauch geeignete Substanzen nicht in Reinform anbietet.

Risikomanagement ist das Kernfach der Drogenschule. Hier lernt der Neuling, die schleichenden Gefahren des Drogengebrauchs zu erkennen und zu kontrollieren. Er erfährt die umfassende Bedeutung von Sucht anhand ihrer wesentlichen Eigenschaft, nämlich ihr deutliches Aufschwingen zum verhaltensleitenden Unbehagen bei genügend langer Abstinenz, lernt seinen Willen zu objektivieren, befragen und disziplinieren, seine Drogenmotive einzuschätzen, seine drogenfernen Werte zu schützen und einzusetzen, seine Erinnerung zu respektieren und sich mit vernünftigen Worten einen starken Willen gegen den Gebrauch zu schaffen. Denn je entschlossener einer Suchtempfindung begegnet wird, desto ferner wirken die Entzugserscheinungen. Des Weiteren wird ein umfassender Katalog von Suchtprüfungen und Absetzungsstrategien vorgestellt und diskutiert, aus denen der Schüler die ihm geeignetsten Methoden auswählen kann. Missglückte Drogenkarrieren werden analysiert und auf entscheidende Fehler hin untersucht. Entzugserfahrene können ihre Erlebnisse im Unterricht schildern und Frage und Antwort stehen.

Beispielhaft zwei Methoden aus dem Katalog zur Suchtprüfung nach dem Schema ‘Name: Beschreibung’. Sensuale Abwertung: Man führe ein präferiertes Suchtmittel in gewohnter Wirkstärke mit zunehmend unangenehmer Geschmackshürde. Je bereitwilliger sie genommen wird, desto schwerer ist die Sucht. Konsumverzögerung: Man beobachte sich unter länger als gewohnten konsumfreien Intervallen. Registriert man Zustände, die mit der Droge behoben werden können, konsumiert man negativ motiviert gegen seine Entzugserscheinungen.

Vor der offenkundigen Sucht steht die Gewöhnung. Sie lässt sich gut durch Ablenkung zerstreuen, deshalb steht dem Absolventen einer Drogenschule eine Plattform bereit, um sich mit Gleichgesinnten zu Sport, Spiel, Diskussion o.a. konsumfrei zu verabreden. Durch dieses Angebot erhöht sich die gesellschaftliche Kontrolle, wie sie vom BVerfG gegen Missbrauch des Alkohols bereits positiv hervorgehoben wurde. Die gemeinsame Motivation stärkt den einzelnen mehr als die isolierte eigene, um sein Konsummuster zu überwinden. Weitere gesellschaftliche Kontrolle, frei von autoritativen Auflagen, bewirkt die Implementierung eines Leumundsystems. Erkennt ein Konsument einen anderen als seinen Leumund an, beeinflussen seine Vertrauensschwankungen in abgeschwächter From auch die Erwerbskonditionen des Leumunds, gutes wie schlechtes Verhalten färben auf ihn ab. Auf diese Weise steigt die Bereitschaft des Verantwortenden, unter Drogeneinfluss keiner überzogenen Eingebung zu folgen. Leumund zu sein bedeutet zunächst einen Vertrauenszuwachs.

Rücksicht auf Erinnerung: Im Rahmen des Risikomanagements lernt der Schüler, dass bereits das Austesten von Drogen im Gedächtnis Spuren hinterlässt, die nicht vollständig belanglos bleiben müssen. Außerdem wird ihm die Schwere bewusst, eine ehemals stark missbrauchte Droge in ein jenseits der Abstinenz erträgliches Konsummuster zu überführen, ohne an seinen Einprägungen anzuknüpfen. Missbrauch kann zukünftigen Gebrauch unmöglich machen. Für erste Erfahrungen mit Drogen werden deshalb marginale Dosen empfohlen, die knapp oberhalb erster spürbarer Anzeichen liegen. Hiermit lernt der Konsument von vornherein, wie er eine Droge ohne Rauschzweck für eine subtile Wirkweise dosieren kann. Jede Droge lässt sich derart verschneiden, dass diese kleine Dosis praktiziert werden kann. Der rauschzweckferne Umgang, der bei einem illegalen Erstzugang zu Drogen widersprüchlich erscheint und wegen Wirkstoffschwankungen nahezu unmöglich zu dosieren ist, liegt ebenfalls im Zuspruch des BVerfG.

Für den Vertrieb von Drogen bieten sich Fachgeschäfte und der ihnen gegenüber sicherheitsreduzierte Inlands-Postweg an. Produktion und Transport unterliegen genauen staatlichen Kontrollen, aber auch der Eigenanbau ist möglich. Lizensierte Hanfgärtner - Indoor auf Watt, Outdoor auf Anzahl - dokumentieren ihren Anbau, melden ihre Ertragsmengen, lassen fertige Produkte auf Verunreinigungen und Wirkstoffgehalt prüfen und übermitteln elektronisch, an wen, wann, in welcher Menge und zu welchem Grundpreis sie ihre Ware vertreiben. Die erhobenen Steuern werden bei der elektronischen Übermittlung angegeben und sind abzuführen. Die eigene Entnahme funktioniert nach demselben Prinzip. Für die Weiterverarbeitung des Pflanzenmaterials bieten lizensierte Dienstleister ihre Hilfe an. Nicht verwendetes Material kann in den Fachgeschäften entsorgt oder mit Lagergebühren vertrieben werden.

Der Erwerb von Drogen wird pro Kunde archiviert und technisch ausgewertet. Erst wenn der Staat die Obhut über die erworbenen Mengen trägt, kann er suchtgefährdendem Verhalten entgegensteuern. Der staatliche Gewinn durch den Drogenverkauf trägt die Kosten des Systems, das impliziert suchtmindernde Maßnahmen und Einrichtungen sowie an den Tatsachen ausgerichtete Zuwendungen für Haftpflicht- und Krankenversicherungen. Der Preis pro Droge bestimmt sich zunächst über den offenen Wettbewerb, dem folgt zumindest eine Risikosteuer auf die Wirkstoffkonzentration, und schließlich wird er abhängig von Vertrauensstufe und Erwerbsmenge eines Kunden pro zurückliegendem Zeitraum polynomisch oder exponentiell aufgestockt. Die Parameter der Aufstockung richten sich nach dem Risiko einer Droge abhängig statistisch erfasster oder geschätzter Daten. Damit wird dem Kunden einerseits das Maß seines Gebrauchsrisikos signalisiert, andererseits der nicht ausschließbare kriminelle Handel mit der guten staatlich kontrollierten Ware erschwert.

Etablierte Drogen sollten n.M. diesem Ansatz folgen. Risikoverständnis bekommt sowohl dem Tabak-Neuling, der lernt, dass Abhängigkeit das genaue Gegenteil erstrebter Mündigkeit ist, als auch dem Alkohol-Sympathisanten. Hier profitiert die Gesellschaft ein gutes Stück, wenn dokumentiert gewaltbereiten Menschen der legale Zugang zu erregenden Substanzen vorübergehend versperrt wird. Ob es praktikabel ist, öffentlichen Ausschank nur über den eingescannten Drogenschein zu ermöglichen, wäre zu prüfen. – Die Zukunft beschert neue Drogen. Großen neuen Gefahren kann mit einer Aufstockung des Preises begegnet werden, die selbst die erste Dosis ungemütlich teuer macht, ein Generalverbot ist möglichst nicht vorgesehen. Die Gefahren betreffen nicht nur die Gesundheit des Konsumenten sondern auch Folgen für das Miteinander, dazu gehören Wirkungen wie Empathielosigkeit, Aggressivität, Übervorteilung und rein Fiktives wie z.B. Gedankenlesen.

Arbeit, Doping, Tod und StVO: Der Arbeitgeber kann in Maßen auf das Konsummuster seiner Angestellten eingreifen. Staatsvertreter haben umso höhere Auflagen, je einflussreicher ihre Position ist, Hartz4-Empfänger umso geringere, je mehr sie dazuverdienen: Drogenhunger als Anreiz, am BSP teilzuhaben. Generell steigen die Auflagen mit der Verantwortung, die der Beruf mit sich bringt. Im Leistungssport ist ebenfalls ein Paradigmenwechsel zu erwägen. Doping ohne besonderes Gesundheitsrisiko für den Athleten sollte nicht grundsätzlich untersagt sein sondern als eine Trainingskunst anerkannt werden, zumindest sofern es allen Nationen gleichermaßen verfügbar ist. Für die Platzierung kann ggf. das Resultat eines gedopten Sportlers oder anteilig seiner Mannschaft angepasst werden. Die Leistungsrelativierung geschähe faktenbasiert, so dass keineswegs ein Dopingmittel für den Erfolg verbindlich wäre, eher im Gegenteil. Betrug wäre folgenschwerer als heutzutage. Ein weiteres kritisches Einsatzfeld von Drogen liegt im humanen Sterben. Unerträgliche, voraussichtlich unheilbare Zustände müssen nicht mit Gewalt aufrechterhalten werden. Der Tod ist für den derart Leidenden durch das Fehlen von Krankheit und Schmerz gesund und keinem willigen Bedürftigen vollkommen zu verwehren. Im Straßenverkehr hat Drogeneinfluss wenig zu suchen. Die Gefahren müssen faktisch ermittelt werden und eine gerechte Relation zu Grenzwerten von Alkohol, zu Medikamenten, Unpässlichkeiten und Müdigkeit gewährleisten.

Dem Ideal des Jugendschutzes wird sich auf drei Weisen genähert: Durch die Öffnung eines legalen Drogenmarkts verliert der jugendbedienende Schwarzmarkt an Einfluss; Haushalte mit Ungeschulten müssen ihre Rauschmittel verschlossen halten; Überführung hat Folgen auf das Vertrauen in den Gebenden und bedeutet für den Jugendlichen abhängig der Gefahrenklasse einen verspäteten Zugang zur Drogenschule und/oder ein geringeres Erstvertrauen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen