veröffentlicht am 03.05.2014 unter http://hanfjournal.de/2014/05/03/cui-libet-licentia/
(Hanfjournal Print-Ausgabe Nr. 172)Letzte Überarbeitung: 30.06.2015
Cui libet licentia? - Der Reformnutzen
(Wem gefällt die Erlaubnis?)
Hier geht es um die erfreulichen Seiten einer reformierten Drogenpolitik, und warum sie für uns und unsere Gesellschaft gut ist. Verschiedene Gründe werden in den folgenden Absätzen aufgereiht und auf das juristisch relevante öffentliche Interesse (ÖI) verdichtet.
Vorneweg freut sich der Drogenfreund am politischen Wandel. Er wird nicht mehr diskriminiert, er kann frei auf- und durchatmen. Die Gefahr der Strafverfolgung ist verflogen, er ist ein gewöhnlicher Bürger ohne Schuld oder Verdächtigung. Leib, Freiheit, Wohnung, Konto, Job, Führerschein und Bundeszentralregister bleiben ihm geschont. Entgegengebrachte Feindseligkeiten büßen ihren amtlichen Rückhalt ein. Die häufigste Nebenwirkung seiner Neigung ist passé, er wird nicht mehr zur Lüge genötigt. Er begrüßt die saubere und dosiersichere Ware aus kontrollierter Herstellung und beansprucht schon dadurch, relativ zur Konsummenge, die Gesundheitsdienste seltener. Schädliche Streckmittel, zugesetzte Suchtstoffe und bedenkliche Verunreinigungen betreffen ihn nicht mehr, und wenn doch besteht Anspruch auf Schadensersatz, die Spur der Verantwortung liegt offen. Sein Gewissen beruhigt sich, sein Anliegen nährt keine kriminellen Strukturen mehr. Angst, Zorn, Paranoia und Resignation entrücken. Aus Dunkel wird Hell, aus Schattenspuk Licht. Neue Auswahl und Gewerbe lächeln ihm entgegen. – Probleme, die den Umgang mit Drogen begleiten können, finden früh Vertrauen, und auf Umsicht geschultes Personal steht ihm hilfreich zur Seite: kein rüdes Staatsgebaren mehr, das Probleme erst beschwört und dann bekämpft statt ihnen voraus zu sein.
ÖI: weniger Einschränkung der Grundrechte durch das Gesetz; der Schwarzmarkt verdunkelt sich; mehr Integration, mehr Sozialstaat; weniger deutliches Privilegiertentum bei Erwerb, Zugriff und Rechtsprechung; weniger Korruptionsgelegenheiten; mehr Ansehen gegenüber der Polizei als Freund und Helfer, dadurch weniger Anspannung auf ihnen für alle.
Die drogenpolitische Reform erleichtert allen, einen rationalen Verstand und gerechte Lebensverhältnisse anzustreben. Vom Gesetz gezeugte Naivlinge braucht niemand mehr zu fürchten. Niemand fragt mehr, warum sich ein erwachsener Mensch jeden Tag radikal besaufen darf, aber es ihm “zum Selbstschutz” unmöglich sein soll, auch nur ein Mal für sich zu erfahren, was bisweilen schon milliardenfach gut und gerne überstanden wurde: die kontrollierte Dosis einer offensichtlich nachgefragten aber verbotenen Substanz. Niemand rätselt mehr, warum gerade der Konsum nicht strafwürdig ist, obwohl nur er das Drogen anhaftende Gefahrenpotential aktivieren kann. Eine Droge ohne ihn ist weder abträglich noch verwerflich. Niemand höhnt mehr über die laue Entkriminalisierung der Konsumenten, obwohl deren Nachfrage erst jedes diskutable Übel verschuldet. Es war und ist sinnlos und eigentlich ausnehmend zynisch, etwas in legale Richtungen zu neigen, das illegales Verhalten anderer voraussetzt. Niemand zweifelt mehr, ob die Regelung der geringen Menge nicht vor allem den kriminell Entschlossenen zugestanden wurde. Für die Millionen Prohibitionsungehaltenen lautet die Botschaft nämlich so: Kaufst du bei ihnen, hast du gut möglich einen Freifahrtschein, aber wehe, du versuchst sie zu umgehen. Niemand nervt mehr mit der Phrase, Verbraucher motiviere das Verbot. Es wäre nicht nur ein dummer Kick, sich dem mutmaßlich Gerechten des Gerechten wegen zu widersetzen (siehe andere, vernünftige Gesetze), er stünde auch in keinem relevanten Verhältnis zur Wirkung der Droge selbst.
ÖI: mehr Sinn im Geist; mehr Konsistenz im Gesetz, weniger Ausgeschlossene; mehr Vertrauen in die Ordnung der Gesellschaft, gut für Nachwachsende.
Das Staatsbudget macht sich locker und mit ihm das Joch unser aller Gläubiger – eine Zeit lang wenigstens. Legaler Drogenhandel schafft ungetürkte Steuereinnahmen und entlastet Polizei und Justiz erheblich. Sie orientieren sich auf echte Kriminalität, deren Fremd- oder Staatsschädigung direkt ersichtlich ist. Das Knastwesen wird weniger gespeist, und es kann weiter entlastet werden, wenn ehemalige BtMG-Delikte revidiert bis amnestiert werden.
ÖI: Staatsgewinne; Staatsentlastung.
Drogenpolitik, das sollte man nicht vergessen, ist Außenpolitik. Für die um Drogen entfachte Gewalt in den Produktionsländern sind eindeutig wir verantwortlich. Nur wenn die entwicklungsführenden Länder einen ehrlichen Umgang mit Drogen konstituieren, können die zuliefernden Produktion und Profit vom organisierten Bandenwesen abziehen; im Alleingang, ohne legale Abnehmer, geht es für sie nicht. – Drogenpolitik ist Umweltpolitik. Jede regulierte Verarbeitungsstätte, der eine illegale ohne Auflagen weicht, schont unser aller Ökosystem. Chief Seattle spricht: “Die Erde gehört nicht uns, wir gehören der Erde.” Sie und wir begrüßen die massenhaft ausbleibenden Herbizide und jede Drogenhaut, die es vorzieht, statt begrenzte Ressourcen zu verbrauchen am Standort zu verreisen.
ÖI: mehr Frieden auf der Welt, mehr Sicherheit im Tourismus; mehr Rücksicht auf unsere Lebensgrundlage, unseren Planeten: damit der Mensch mehr Segen für die Welt wird.
Patienten erleben die Linderung und Heilung diverser Symptome. Der therapeutische Nutzen, den bestimmte Drogen mitbringen, wird voll ausgeschöpft. Stress, der vom regierenden Druck gegen Drogengebrauch provoziert wird, befällt kein Gesundungsstreben mehr. Für den Interessierten öffnet der Schamanismus seine geheimnisvollen Pforten, er beteiligt ihn an der Konfliktbewältigung mit sich selbst und (anwesenden) anderen. Das Hanfsamenöl, wegen seines ausgewogenen Fettsäurespektrums sehr geschätzt, wird für jeden Haushalt erschwinglich, und alle anderen Nutzhanfprodukte entfalten ihr Potential. Seriöse Alternativen verringern die negativen gesellschaftlichen Effekte etablierter Drogen, die gerade bei Alkohol von Gewaltausbrüchen und traumatisierender Fahrlässigkeit bestimmt sind. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen schreibt: “Der Konsum von Alkohol und dessen körperliche und psychische Folgen bilden oft eine für das Tatgeschehen wesentliche und mitgestaltende Bedingung. So wurde 2009 bei rund 35 % aller Tatverdächtigen wegen gefährlicher und schwerer Körperverletzung ein Alkoholeinfluss zum Tatzeitpunkt festgestellt (P KS 2009)”. Warum diese polizeiliche Kriminalstatistik über Tatverdächtige geführt wird, zu denen Betrunkene wohl verstärkt zählen, dürfte ihrer mahnenden Intention geschuldet sein. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von ca. 10 Litern reinem Alkohol wird es schließlich offenbar (selbst bei einem Zehntel der Alkoholmenge): Menschen wollen das Drogenerlebnis, dagegen ist alle akzeptable Staatsgewalt machtlos. Und wie Menschen nun mal sind, wollen sie zwar alle dasselbe aber nicht auf dieselbe Weise.
ÖI: mehr medizinischer Nutzen für Betroffene; mehr medizinische Vielfalt für alle; Kostensenkung von Nutzprodukten; reelle Chance der Gewaltreduzierung; mehr Pluralismus, wo er nicht sinnvoll geeint werden kann.
Folgt man den Ausarbeitungen zur Drogenschule, gilt ÖI ferner in: mehr öffentlichem Bildungsangebot, mehr Sicherheit im Umgang mit Drogen; einer finanzautarken Lösung des Drogenproblems (und ev. reduzierten Krankenkassenbeiträgen durch Verlagerung bestimmter Aufwendungen); mehr Kontrolle über eine Risikogruppe, über ihre Gesundheit und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft; weniger Strafminderung nach Fällen selbstgewählter Unzurechnungsfähigkeit; wirksamerem Jugendschutz.
Wer zukünftig hört, sich für Drogen einzusetzen sei bloß egoistisch, der sollte vom Gegenteil einschenken. Die Reform ist etwa so eigennützig, wie der gegen Drogen gerichtete Anstand moralisch ist. Je mehr man das Gesamte fokussiert, desto unpassender wird das Attribut. Das Ende der Prohibition, der Anfang der Lizensierung, ist ein gesellschaftliches Anliegen.
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