veröffentlicht am 14.11.2013 unter http://hanfjournal.de/2013/11/14/23-cui-bono-prohibitio/
(Hanfjournal Print-Ausgabe Nr. 166)
Letzte Überarbeitung: 30.06.2015


cui bono prohibitio? - Verbotsfreuden
(wem nützt das Verbot?)

Als drogenbereitem Menschen erscheint es skurril, allein deswegen auf eine neue Dimension seiner Erfahrung verzichten zu müssen, weil man seine Grundrechte verletzen könnte. Was nun wirklich das strikte Verbot antreibt, das mit peinlicher Propaganda die politische Bühne betrat (Anslinger vs. Cannabis, Reefer Madness, Cannabis u.a. ohne medizinischen Nutzen etc.), wäre sicher nur im Geständnis der veranlassenden Wesensart zu finden. Klar ist aber eins: Der Zustand ist, wie er ist, wegen hinreichend einflussreicher Interessen. Sie zu illuminieren ist das Ziel dieses Artikels.

Geld – Warum ist es so reizvoll? 1. Die Funktion des Geldes ist es, allen handelbaren Begehren einen Zahlwert zuzuordnen und so dem Einzelnen einen allgemeinen Maßstab vorzugeben. Wer über mehr Geld verfügt, kann sich mehr dieser Begehren erfüllen und mehr Sorgen ersparen. Reichtum schafft Freiheit und Sicherheit. 2. Wer mehr Geld verdient als andere darf sich ihnen wirtschaftlich überlegen fühlen. Das ist gut für das Selbstwertgefühl und hat in der Regel entsprechende Folgen im Leben und für den Bekanntenkreis. 3. Um Geld zu verdienen, folgt man den Interessen des Gebenden. Gibt man selbst, folgen andere. Geld ist das Mittel der Macht, Geldinteressen sind Machtinteressen. Es reizt also Geld mit Freiheit, Sicherheit, Selbstwert und Macht. Das ist bedenklich viel Vorteil, um optimistisch zu erwägen, jeder gute Anschein garantiere eine gute Absicht.

Drogen – Warum sind sie so teuer? 1. Dank ihres umfangreichen Verbots wird ein künstlich kleines Angebot erzeugt. Bei gleicher Nachfrage steigt der Wert jedes Gutes, je knapper es ist. 2. Drogen sind vielen Menschen wichtig. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie sie für Geist, Körper und Seele potenziell assoziiert sind: Sie erweitern das Realitätsverständnis, akzentuieren das Seinssyndrom; werten Sex für alle Beteiligten auf, wandeln dem Künstler eindrucksvoll seinen Sinn; spenden Wärme und Geborgenheit, klären Stress, euphorisieren u.v.m. – Wir sehen also, weil Drogen sanktioniert und beliebt sind, in ihnen den höchsten Rohstoffpreis für Massengüter. Der traditionelle Wertspeicher Gold verblasst pro Gramm gegenüber ökonomischen Überfliegern wie Kokain, Heroin, Designerdrogen und edlen Cannabiskonzentraten.

Freude für den Geldbeutel: Die großen Gewinne aus dem Drogenhandel gehen nach Gusto in die organisierte Kriminalität. Der mit Abstand größte Schieber und offiziell einer der reichsten und meist gesuchten Menschen der Welt ist der Anführer des Sinaloa Kartells in Mexiko, Joaquin “El Chapo” Guzman Loera (inzw. Festnahme am 22. Februar 2014). Sein Vermögen, das er sich über Jahre hinweg aufgebaut hat, wird auf 1 Milliarde $ geschätzt. In Mexiko scheint er über einige Integrität zu verfügen und auch soziale Projekte finanziert zu haben. Guzman bedankt sich in der Huffington Post vom 26.03.2009 über das Drogenverbot in den Entwicklungsmächten, ohne das er nie so dermaßen reich geworden wäre. Über einen seiner engsten Vertrauten wird er dann zitiert: “None of them [Anm.: Reagan, Bushs, Obama] have the cajones to stand up to all this big money that wants to keep this stuff illegal”. Offensichtlich spricht er gar nicht von seinem Geld, denn gegen ihn wird freilich versucht vorzugehen. Obwohl Guzman selbst am gewinnträchtigen Schmuggel beteiligt ist und allen anderen mexikanischen Kartellen angeblich sogar zusammen wirtschaftlich überlegen sein soll, hat er keine bedeutenden Anteile des jährlichen ca. 400 Milliarden $ Drogenweltmarkts einbehalten können. Das erworbene Geld wandert also weiter, in die heimische Wirtschaft oder wieder westwärts. – Ließe sich mutmaßen, geheime Geheimdienststäbe fingern am Drogengeld mit? Immerhin taugt Schwarzgeld unmittelbar für alle unverbuchbaren Tätigkeiten, und organisierte Involvierungen sind aktenkundig. Einer, der sich an dieser Frage festgebissen hat, Gary Webb, nahm sich schließlich mit zwei Kugeln in den Kopf das Leben, bevor er seine neuen Recherchen veröffentlicht hatte. Diese Thematik aufzugreifen steht also zumindest in Verruf, stark depressiv zu machen.

Gefahr für den Geldbeutel: Bevorteilt von der Prohibition werden auch Unternehmen, denen ein anderer Umgang mit Drogen finanzielle Einbußen bedeuten. Man kann es ihnen kaum vorwerfen, wenn sie ihre Interessen lobbyistisch wahren möchten. Hier profitieren: 1. die Hersteller legaler Drogen. Es wäre absurd zu behaupten, weitere zugelassene Drogen würden ausschließlich neue Konsumenten schaffen. Jeder gesunde Mensch hat eine Konsumgrenze, die zu überschreiten gegen sein Selbstinteresse spräche. Womit er seinen Bedarf deckt, entscheidet in einer legalen Situation nur seine Fasson, es muss nicht ständig Alkohol sein, der immerhin Zellen schädigt und das Entgiftungsorgan schlaucht. Auch Tabak- und Zuckerindustrie lehnen Drogenkompetenz ab. 2. Etablierte Pharmaunternehmen und die Ärzteschaft freuen sich an den Marktregulierungen des Staates, die Konkurrenzen aussieben und Selbstmedikation erschweren. Einbußen müssten beide in Kauf nehmen, wenn ein selbstbewusster Umgang mit Drogen ausreichend gut über diverse Unpässlichkeiten hinweghelfen würde. Die drei großen Volksdrogen Schlafmohn, Koka und Cannabis haben nicht grundlos eine lange Tradition in der medizinischen Anwendung, auch äußerlich. 3. Wenig diskutiert aber sicher nicht unerheblich sind die Vorteile der Depopularisierungsindustrie. Drogen liefern die Währung für Waffen und umgekehrt. Ohne gute Gewinne aus dem Drogenhandel gäbe es deutlich weniger Mittel, um Konflikte gewaltsam auszutragen, ein unliebsames Szenario der verhohlenen Rüstungsindustrie. Wie hoch mag ihre Lobbykraft wohl sein, und kann man von ihr ein gesundes Maß moralischer Empfindsamkeit erwarten? 4. Cannabis als Rohstoff gefährdet große Industrien und wegen seiner günstigen Herstellung den zu Wachstum verpflichteten Weltwert. Etablierte Unternehmen können zwar in neu entstehende Märkte einziehen, aber lukrativer dürfte es sein, bestehende auszuschöpfen.

Macht – Was ist das und warum ist sie wesenseigen gegen Drogen? 1. Macht ist die Kraft, den Fortlauf seiner natürlichen oder sozialen Umwelt seinem Willen gemäß zu gestalten, Autorität ihr Potenzial. Macht geschieht ständig im Kleinen und unter Auflagen im Großen. Sie wird vom Ausübenden stets positiv wahrgenommen, denn kein Mensch kann sich dagegen sträuben, wenn etwas nach seinen Vorgaben geschieht. – Je größer die Macht ist desto positiver ihr Erleben und desto erhabener das Selbstwertgefühl: Man ist, was man gestaltet, groß ist, wer Großes gestalten kann. – Macht setzt sich immer für eine bevorzugte Minderheit ein. Sich für die Mehrheit einzusetzen ist gesellschaftlich verwaltender Grundgedanke, ihre natürliche Ordnung. – Wer mehr Widerwillen besiegen kann, ist umso mächtiger, muss aber stets seine Macht für seinen Willen aufwenden. Zerfall droht. – Macht hat einen Haken: Obwohl sie zu erheben scheint, bedeutet sie zugleich das Gegenteil: denn der Ausübende unterwirft sich immer weiter den Naturgesetzen und Vorteilen seiner Umwelt. Freier wird der Machtstrebende eigentlich nicht. 2. Aus herrschender Sicht sind Menschen Mittel für Zwecke, und was die Mittel gefährdet, gefährdet die Zwecke. Es ist nur folgerichtig, von ihnen fernzuhalten, was ihren Verstand irritiert und sie insgesamt unzweckmäßiger zu machen droht. Außerdem soll man sich Glück verdienen, wer wenig aus sich macht, dem steht nur wenig zu. – Drogen passen zu gut auf das Gleichnis vom Baum der Erkenntnis, als dass die Kirche ihren moralweisenden Einfluss fernhalten würde. Ohnehin scheint die Wahrung von Individualrechten, also der Schutz vor Herrschaft, nicht ihr Hauptanliegen zu sein. – Mehr Drogenarten schaffen mehr Vielfalt, das erschwert eine psychologisch subtile Führung der Massen.

Emotionale Interessen. In der breiten Bevölkerung sprechen häufig mit unsachgerechten Verallgemeinerungen genährte Emotionen gegen Drogen. Wer sie hegt, begrüßt das Verbot genuin. Vor allem Ängste wenden sich gegen Drogen, etwa als Konsument die Angst vor dem eigenen Bewusstsein, vor Kontrollverlust, Gruppenzwang, Suchtverhalten und Selbstschädigung, sowie als Abstinent vor Ausgrenzung, Gesellschaftsverfall, Missbrauch nahestehender Menschen und davor, das Opfer eines fahrlässigen Konsumenten zu werden, etwa im Straßenverkehr. Der letzte Aspekt betrifft besonders Drogen mit reaktionsmindernden oder selbstüberschätzenden Effekten, bekannte Vertreter sind diverse Medikamente und natürlich Alkohol. Angst entfacht auch den Schutzinstinkt gegenüber Heranwachsenden. Dass allerdings Prohibition mit ihrem unbändigen Schwarzmarkt-Spross optimalen Jugendschutz bietet, wäre eine gewagte These. Illoyale Händler interessieren sich eher für Geld, Verantwortung ist fakultativ. – Neid, Gier: Mancher sieht nicht gerne Freuden strahlen, die ihm selbst unzugänglich sind oder die er für sich und die Seinen reservieren möchte. – Missgunst: Genau genommen sind Drogen nicht verboten, weil sie gefährlich sind. Jeder darf sich auf viele Weisen selbst gefährden und verletzen, äußerlich wie innerlich, sachte wie derbe, zu Lasten der Gemeinschaft und ohne dass ihm ein Gefängnisaufenthalt droht. Drogen sind verboten wegen ihres positiven Aspekts. Ohne ihn gäbe es kein Interesse an der Droge, folglich keine Grundlage für ein Verbot. – Abscheu, Ekel, Hass: Wer mit der Wirkung einer Droge nichts anfangen kann, wird sich nicht selten von seinen Konsumenten distanzieren wollen, im Klartext: Man mag uns einfach nicht. Eine pauschale Abweisung für Haschgammler, Suffköppe, Junks, Koksnasen und dergleichen abtrünniges Gesindel. Pauschalität ist Abstraktion für geistig Arme und seit Jahrtausenden nicht wegzudenken; wie auch, Verstandesleistung ist nach oben offen.

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